Hohe Lohnnebenkosten – eine zunehmende Herausforderung!
Hohe Lohnnebenkosten – eine zunehmende Herausforderung!
Die Produktion von Sonderkulturen wie Obst und Gemüse ist arbeitsintensiv und erfordert nach wie vor viel Handarbeit. Dadurch entsteht ein hoher Bedarf an Arbeitskräften, der den Endpreis der Produkte stark beeinflusst. In der Praxis stehen die Landwirtinnen und Landwirte in Österreich häufig im Spannungsfeld zwischen den eigenen Produktionskosten und dem Preis, den Konsumentinnen und Konsumenten bereit sind zu bezahlen. Ein großes Problem stellen dabei die niedrigeren Lohnnebenkosten in den Nachbarländern dar, die nicht nur die Wettbewerbsfähigkeit schwächen, sondern auch zur Abwanderung von Arbeitskräften führen.
Bereits 2022 präsentierte eine Studie der KMU Forschung unter anderem die Sondermodelle in Deutschland, Ungarn, Polen und Italien und zeigte die geringe Wettbewerbsfähigkeit Österreichs bei den kurzfristig angestellten, die auf den hohen Lohnnebenkosten basiert. In der heurigen Aktualisierung wurde der Vergleich zu Deutschland mit neuen Zahlen ergänzt und um einen Exkurs zu dem Modell in Frankreich erweitert.
Der Schwerpunkt dieser Zusammenfassung liegt auf befristeten Hilfskräften bzw. Saisonarbeitskräften, die in der Obst- und Gemüseproduktion am häufigsten eingesetzt werden. Obwohl die Bruttolöhne für kurzfristig Beschäftigte in Deutschland und Österreich relativ ähnlich sind (2.157 EUR in Deutschland und 2.133 EUR in Österreich, inklusive Sonderzahlungen in Österreich), bleibt den Arbeitskräften in Deutschland netto deutlich mehr. Im deutschen Sondermodell erhalten die Beschäftigten 2.049 EUR netto, während sie in Österreich nur 1.750 EUR ausbezahlt bekommen. Ohne das deutsche Sondermodell liegt der Nettolohn in Deutschland hingegen bei 1.647 EUR.
Quelle: KMU Forschung Austria, BML; Vergleichende Analyse der Lohn- und Sozialstandards in der Landwirtschaft, 2024
Die geringeren Arbeitgeberausgaben und die höheren Nettoeinnahmen pro Stunde für Arbeitnehmer in Deutschland ergeben sich aus den niedrigeren Sozialabgaben und Lohnnebenkosten im Vergleich zu Österreich. Während die Sozialabgaben auf Bruttolöhne bei Saisonarbeitskräften in Deutschland 23,2 % betragen – und im Sondermodell sogar nur 1,4 % – liegen sie in Österreich bei 28,9 %.
Quelle: KMU Forschung Austria, BML; Vergleichende Analyse der Lohn- und Sozialstandards in der Landwirtschaft, 2024
Dies führt zu den folgenden Kosten pro Arbeitsstunde für kurzfristig beschäftigte Arbeitskräfte in Österreich und Deutschland, unter Berücksichtigung der Entwicklungen und Lohnerhöhungen der letzten Jahre:
- Im Vergleich der regulären Modelle sind die Arbeitskosten relativ ähnlich: In Österreich betragen sie 18,9 EUR für einen Nettolohn von 12,3 EUR, während sie in Deutschland 18,2 EUR für einen Nettolohn von 12,4 EUR ausmachen.
- Der große Unterschied zeigt sich jedoch im deutschen Sondermodell: Hier fallen bei einem Nettolohn von 12,4 EUR für den Arbeitgeber nur 14,8 EUR Arbeitskosten an – das sind 28 % weniger als in Österreich!
In Italien gibt es eine weitere Regelung, die die Lohnkosten für kurzfristig Angestellte senken soll. Eine neue, auf zwei Jahre befristete Reform in Italien (2023–2024) zielt darauf ab, die Kosten für die Beschäftigung von Saisonarbeitskräften in der Landwirtschaft zu reduzieren. Ziel des Gesetzes ist es, landwirtschaftlichen Betrieben die Einstellung von Saisonarbeitskräften zu erleichtern, während das Einkommen der Arbeitnehmer*innen unverändert bleibt und weiterhin den nationalen sowie regionalen landwirtschaftlichen Arbeitsverträgen entspricht.
Das Besondere an diesem Modell ist, dass Arbeitnehmer*innen ihren Arbeitslosenstatus beibehalten können. Zusätzlich zählt das daraus erzielte Einkommen für die Berechnung von Renten oder öffentlicher Unterstützung. Der neue Vertrag ist auf maximal 45 Arbeitstage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten begrenzt.
Zusätzlich wurden für landwirtschaftliche Betriebe die Sozialversicherungsbeiträge gesenkt. Die Berechnung erfolgt nach denselben Parametern wie bei bestehenden Sonderregelungen für benachteiligte Gebiete. Diese Reform bietet somit eine spürbare Entlastung für landwirtschaftliche Betriebe und schafft gleichzeitig Anreize zur Beschäftigung von Saisonarbeitskräften.
Außerdem ist auf eine Sonderregelung für Bergregionen in Italien, zu denen Südtirol zählt, hinzuweisen. Grundlage für die Sonderregelung ist eine Klassifizierung der Regionen aus dem Jahr 2001, die durch den interministeriellen Ausschuss für Wirtschaftsplanung erstellt wurde. Diese Klassifizierung unterteilt die Gemeinden in „nicht benachteiligte“, „benachteiligte“ und „besonders benachteiligte“ Gebiete. Für die Provinz Südtirol gelten alle Gemeinden als besonders benachteiligt. Damit fallen sie unter eine Sonderregelung, die Reduktionen der Arbeitgeberbeiträge vorsieht:
- Für besonders benachteiligte Bergregionen beträgt die Reduktion der Arbeitgeberbeiträge 75 %,
- Für benachteiligte landwirtschaftliche Gebiete liegt die Reduktion bei 68 %.
Auch in Frankreich gibt es ein Modell, das Arbeitgeber dabei unterstützt, trotz hoher Arbeitskosten wettbewerbsfähig zu bleiben. Arbeitgeber, die Arbeitnehmer in der Landwirtschaft, bei Waldarbeiten oder bei Tätigkeiten zur Fortsetzung des Produktionsprozesses (z. B. Verpackung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte) als gelegentliche Arbeitskräfte beschäftigen – sei es im Rahmen eines befristeten Saisonvertrags oder eines anderen kurzfristigen Arbeitsvertrags – sind von den Arbeitgeberabgaben für die landwirtschaftliche Sozialversicherung, die Familienzulagen und weiteren im Sozialversicherungsgesetz genannten Beträgen befreit. Zusätzlich kann die Zahlung bestimmter tariflicher Arbeitgeberbeiträge von der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (MSA – Mutualité sociale agricole) übernommen werden. Die MSA ist für die Bereitstellung sämtlicher obligatorischer Sozialversicherungsleistungen für die gesamte landwirtschaftliche Bevölkerung sowie deren Leistungsempfänger zuständig – sei es in den Bereichen Gesundheit, Familie, Pension, Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten.
Aus Sicht des ÖBOG zeigt auch diese Studie erneut, dass die Produktion von Sonderkulturen in Österreich aufgrund des hohen Arbeitskraftbedarfs massiv benachteiligt ist. Die Unterschiede zu Deutschland werden trotz Mindestlohnerhöhungen nicht geringer, und die Anzahl der Sondermodelle innerhalb der EU nimmt von Jahr zu Jahr zu.
Mittlerweile scheint es in der EU eher die Regel zu sein, Modelle mit gezielten Entlastungen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu etablieren. Länder ohne derartige Maßnahmen benachteiligen Sektoren mit hohem Handarbeitsaufwand und geringen Technologisierungsmöglichkeiten und zwingen diese unbemerkt in eine Sonderstellung.
Diese Studie bietet eine weitere wertvolle Grundlage, die wir den unterschiedlichen Entscheidungsträgern präsentieren werden. Wir bitten Sie alle, die Ergebnisse dieser Untersuchung ebenfalls bei passenden Gelegenheiten zu berücksichtigen und einzubringen!