Bewegung aus Brüssel – Vereinfachung der EU-Gesetzgebung in Sicht?
Bewegung aus Brüssel – Vereinfachung der EU-Gesetzgebung in Sicht?
Rund ein Jahr nach der Ernennung des neuen Kollegiums der Europäischen Kommission zeichnet sich erste Bewegung in wichtigen agrarpolitischen Bereichen ab. Eines der zentralen Ziele der Kommission in dieser Amtsperiode ist die Vereinfachung und Entbürokratisierung von EU-Gesetzgebung – ein Anliegen, das für den landwirtschaftlichen Bereich von großer Bedeutung ist.
Aktuell bereitet die Kommission einen Vorschlag zur Vereinfachung der Rechtsvorschriften im Bereich Lebensmittel und Futtermittel vor, der auch die Verordnung 1107/2009 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln betreffen soll. Die Veröffentlichung des Vorschlags ist für den 10. Dezember vorgesehen. Ursprünglich sollte sich die Überarbeitung auf sogenannte Biocontrols, also natürliche Wirkstoffe, konzentrieren. Inzwischen plant die Kommission, die Reform breiter anzulegen und auch strukturelle Verbesserungen im Zulassungssystem vorzusehen.
Als ÖBOG und LKÖ bringen wir uns aktiv in diesen Prozess ein. Unsere Positionen und Anliegen haben wir bereits bei Terminen in Brüssel im Februar 2025 sowie beim Besuch der Kommissionsvertreter in Österreich im Juni 2025 vorgetragen und im Oktober in einem weiteren Austausch vertieft. In unseren Gesprächen haben wir auf zentrale Problemfelder hingewiesen – etwa auf die bislang mangelhafte Umsetzung der gegenseitigen Anerkennung bzw. das Fehlen zonaler Zulassungen, auf die deutlichen Unterschiede bei den Zulassungsverfahren und -kosten zwischen den Mitgliedstaaten sowie auf die Problematik bei natürlichen Stoffen wie Backpulver, die zwar frei erhältlich, aber als Pflanzenschutzmittel teuer und schwer zugänglich sind. Ein weiterer wichtiger Punkt betrifft die Verlängerung und Zulassung von Wirkstoffen. Hier wäre es aus unserer Sicht notwendig, Risikomanagement stärker zu berücksichtigen, um einen weiteren Wirkstoffverlust zu vermeiden. Mit dem Start der politischen Diskussion zwischen Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten ab dem 10. Dezember beginnt eine entscheidende Phase. Wir hoffen, dass die gesamte Branche – wie bereits bei der SUR vor zwei Jahren – gemeinsam an einem Strang zieht und die Anliegen der Praxis klar kommuniziert.
Neben dem Thema Pflanzenschutz arbeitet die Europäische Kommission derzeit auch an der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik und am mehrjährigen Finanzrahmen. Wir haben dazu bereits berichtet und die bisherigen Vorschläge kritisch bewertet. Aktuell gibt es in beiden Dossiers noch keine spürbaren Fortschritte. Weiters hatten wir im September die Möglichkeit, uns auf EU-Ebene beim Thema Herkunftskennzeichnung von Säften und Marmeladen einzubringen. Der Druck der Industrie gegen jegliche verpflichtende Kennzeichnung bleibt weiterhin sehr groß. Ob es in dem Bereich zu einer Bewegung kommt, wird Mitte 2026 bekannt.
Abseits der europäischen Gesetzgebung sorgte der jüngste „Tatort – Letzte Ernte“ für Gesprächsstoff. Wir waren überrascht und enttäuscht über die Art und Weise, wie der Obstbau und der Pflanzenschutz in dieser Folge dargestellt wurden. Auch wenn es sich beim „Tatort“ nicht um eine Dokumentation handelt, ist es besorgniserregend, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender wie ORF eine Produktion mit derart vielen sachlichen Fehlern und verzerrten Darstellungen ausstrahlt. Besonders bedauerlich ist, dass ein so sensibles Thema wie der Pflanzenschutz – bei dem die wissenschaftliche Kommunikation ohnehin schwierig ist – pauschal negativ gezeigt wird. Wir haben beim ORF eine Beschwerde eingereicht und warten derzeit auf eine Rückmeldung.
Aktuell stehen sowohl öffentliche Wahrnehmung als auch politische Entwicklungen im Obstbau im Mittelpunkt. Der „Tatort: Letzte Ernte“ macht deutlich, wie wichtig sachliche und faktenbasierte Darstellung ist, während die geplante EU-Rechtsvereinfachung ab Dezember echte Chancen bietet, die Praxis spürbar zu entlasten. Die Branche wird die Entwicklungen aufmerksam verfolgen und aktiv an Lösungen mitwirken um den Obstbau zukunftsfitter zu machen.

